Leben als Frau zur Ehre Gottes Rückblick

Vorsicht, zerbrechlich!

Hochsensibel, hochsensitiv, zartbesaitet, … Es gibt viele verschiedene Ausdrücke für ein und das selbe Phänomen: Ungefähr 20 % der Menschen nehmen intensiver wahr als der Durchschnittsmensch. In den letzten ungefähr zwanzig Jahren wurden zahlreiche Hypothesen aufgestellt, warum das so sein könnte.

Fest steht, es gibt Menschen, deren Nervensystem ungefiltert viele verschiedene Reize aufnimmt, sodass hochsensible Menschen intensiver und differenzierter wahrnehmen als der Durchschnittsmensch. Die Hochsensibilität ist eine große Gabe, die sowohl in der Beziehung zu anderen Menschen als auch im Leben allgemein viele Vorteile hat. HSP können oft andere Menschen sehr gut einschätzen, auf Probleme hinweisen, die niemand sonst bemerkt hat, viele sind sehr kreativ und werden von Musik oder Kunst oft tief berührt.

Vorsicht, zerbrechlich!

Allerdings hat die Hochsensibilität wie jede Gabe auch ihre Nachteile. In Folge der ungefilterten Wahrnehmung ist eine HSP (hochsensible Person) schnell überreizt und braucht lange, um auch alltägliche Erlebnisse zu verarbeiten und einzuordnen. Die Reize, auf die eine HSP reagiert, sind vielfältig. Manche nehmen die Stimmung anderer Menschen sehr deutlich wahr, andere reagieren auf laute Geräusche, kratzende Stoffe, intensive Gerüche oder bestimmte Nahrungsmittel, wieder andere auf das Fehlen einer klaren Struktur. Bei den meisten HSP bilden mehrere dieser Wahrnehmungsebenen eine Einheit. Als Reaktion auf Überstimulation kann eine HSP unkonzentriert und fahrig, müde, in sich gekehrt oder auch aggressiv reagieren.

Vorsicht, zerbrechlich!

Ich weiß schon seit einigen Jahren, dass ich zu diesem Personenkreis gehöre und musste bzw. muss immer noch lernen, mit dieser besonderen Gabe richtig umzugehen. Heute möchte ich einige meiner Strategien, um Überreizung entgegenzuwirken, mit euch teilen.

1. Sich selbst annehmen

Ich habe schon als kleines Kind gemerkt, dass ich anders war als andere Kinder. Dieses Gefühl anders zu sein, in manchen Fällen sogar eine Last für andere darzustellen, führt sehr schnell dazu, dass man sich selbst als falsch oder wertlos empfindet. Für eine HSP ist es besonders wichtig, sich so anzunehmen wie sie ist. Gott hat jeden Menschen einmalig geschaffen. Er gibt mir meinen Wert und meine Identität. Nur wenn ich dieses Geschenk annehme, werde ich selbstbewusst zu mir und meinen Bedürfnissen stehen können.

2. Sich selbst kennenlernen

Je früher man sich selbst genau kennenlernt, kann man auch seine individuelle Reaktion auf verschiedene Reize einschätzen. Ich weiß inzwischen genau, wie viel ich mir zumuten kann, damit ich mit der täglichen Reizüberflutung gut umgehen kann. Und sollte mir doch einmal alles zu viel werden, kann ich meine Notfallstrategien anwenden.

3. Sich einen Rückzugsort schaffen

Nach einem anstrengenden Arbeitstag ist es mir umso wichtiger, mich in meine eigenen vier Wände zurückziehen zu können. In den letzten Jahren habe ich herausgefunden, dass es für mich wichtig ist, dass mit dem Zuschlagen meiner Wohnungstür auch die Tür zur Außenwelt zugeschlagen wird. Um meine Umgebung reizarm zu halten, liebe ich eine saubere und aufgeräumte Wohnung, in der nicht viel herumsteht oder liegt. Das hilft mir, zur Ruhe zu kommen und abzuschalten.

4. Lieblingsmenschen finden 

Für HSP kann es sehr anstrengend sein, Menschen zu finden, in deren Gegenwart sie sich vollkommen entspannen und ganz und gar authentisch sein können. Mein Mann und meine Familie sind für mich solche Personen, bei denen ich mich geben kann wie ich bin. Ich darf ihnen mein Ruhebedürfnis und meine Überforderung in manchen Situationen mitteilen und mich von ihnen anspornen lassen, meine Grenzen entweder zu sprengen oder auch mal bewusster einzuhalten.

5. Prioritäten setzen

Wenn man wie ich gerne allen Menschen gerecht werden möchte, findet man sich sehr schnell in einer Abwärtsspirale wieder. Egal ob HSP oder nicht, jeder Mensch hat seine eigenen Belastbarkeitsgrenzen. Erst als ich es gelernt habe, zu meinen Grenzen zu stehen und bewusst auszuwählen, mit welchen Menschen und Aufgaben ich mich umgeben möchte und kann, welche Prioritäten mir wichtig sind, konnte ich es lernen,  mein Leben zu genießen.

6. Zeit für Jesus einplanen

Für mich ist dieser Punkt der wichtigste geworden. Wenn ich mir jeden Tag die Zeit nehme mit meinem Schöpfer und Retter Zeit zu verbringen, fühle ich mich sicher und geerdet genug, um meine Tage sinnvoll und zufrieden zu leben. Immer wieder erzähle ich Jesus im Gebet von meinen Sorgen, Gedanken, Fragen, Wünschen, meinem Glück und meiner Freude. Auf diese Weise gebe ich meine Sorgen ab und werde frei, meine Perspektive zu verändern.

7. Rituale pflegen

Ich liebe Rituale. Sie helfen mir, mein Leben zu strukturieren und mich in meinem Alltag zurecht zu finden. Mir hilft es zum Beispiel vor dem Schlafengehen noch ein oder zwei Kapitel in einem guten Buch zu lesen und auf diese Weise meine Gedanken zur Ruhe zu bringen oder in der Weihnachtszeit bestimmte Lichter aufzustellen.

8. Ein Instrument lernen

In meiner sehr stressigen Schulzeit war meine Geige für mich mein Rückzugsort. Wenn ich nach der Schule nach Hause kam, übte ich meist mehrere Stunden. In dieser Zeit fokussierte ich mich so auf die Musik und auf die Analyse meines Spiels, dass sich mein Verstand entspannen konnte. Durch ein Instrument lernt man seinen Körper genau kennen. Man übt bestimmte Bewegungen immer und immer wieder, verbessert seine Feinmotorik, spürt Spannung und Entspannung. Man lernt, Emotionen in den Musikstücken wahrzunehmen und eigene Gefühle auszudrücken. Man befindet sich für eine bestimmte Zeit komplett im gegenwärtigen Augenblick. Viele dieser Kompetenzen kann man auf andere Bereiche im Leben übertragen.

9. Sport treiben und Entspannungsübungen

Gerade wenn ich das Gefühl habe, den Kontakt zu mir verloren zu haben, weil viele Reize auf mich einprasseln, helfen mir Sport und Entspannungsübungen, mich wieder zu erden und mich auf den gegenwärtigen Zeitpunkt zu konzentrieren.

10. Die Natur genießen

Spazierengehen und sich mit der Schöpfung beschäftigen, entspannen sowohl den Körper als auch die Seele. Gerade als HSP können die warmen Sonnenstrahlen, der Gesang eines Vogels und der Anblick einer schönen Blüte Entspannung für das Nervensystem bringen. Auch Haustiere können zur inneren Ausgeglichenheit beitragen. Wenn ich mich um die Bedürfnisse eines Tieres kümmere, lerne ich, seine nonverbalen Äußerungen verstehen und es entsteht eine besondere Beziehung, die mich in schwierigen Situationen tröstet und beruhigt.

11. Schreiben

Besonders wichtig für mich ist es, immer wieder zu schreiben. Listen aufstellen, Briefe verfassen, Prioritäten festhalten, Tagebuch führen. Je mehr ich schreibe, desto mehr werde ich mir über eigene Gedanken und Gefühle bewusst und kann sie besser verarbeiten und für mich ordnen.

12. Und last but not least … Atmen

Wenn mir trotz dem Wissen um meinen Wert und meine persönlichen Grenzen, den richtigen Prioritäten, genügend Ausgleich im Alltag und dem Ordnen meiner Gedanken, doch mal alles zu viel wird, ist mein Geheimtipp: Konzentriere dich auf deinen Atem! Atme langsam und ruhig und versuche, dich mit jedem Atemzug zu entspannen. Das hilft fast immer.

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