Ich könnte schreien. Nichts läuft so, wie geplant und erwartet. Den Großteil meines letzten Schwangerschaftsmonats verbringe ich im Haus meiner Eltern. Sie sind im Urlaub und genießen Sommer, Sonne und Strand. Mir dagegen springt schon beim Betreten des Bades die erste unausgesprochene Aufforderung entgegen: Die Wäsche schreit „Wasch mich endlich“. Kaum betrete ich die Küche und öffne den Kühlschrank blickt mich ein Rest Obst vorwurfsvoll an „Wann hast du vor, mich endlich zu verbrauchen?“ Seufzend frühstücke ich, im Hinterkopf die Mahnung „Schon wieder Nutella – Zucker ist ungesund für dein Baby“. Das Telefon klingelt und ich erhebe mich ächzend (so schnell wie vor der Schwangerschaft bin ich auch nicht mehr) und hebe den Telefonhörer ab „Kommt ihr mich heute abholen?“, fragt eine Stimme am anderen Ende und erinnert mich daran, dass ich neben dem Haus meiner Eltern in den nächsten Wochen für einen meiner absoluten Lieblingsmenschen die Verantwortung trage. Durch die Schwangerschaft habe ich kaum noch Kraft. Morgens komme ich nicht aus dem Bett und wenn ich endlich wach bin, kommt mein Kreislauf nicht in Schwung. Durch meinen Eisenmangel bleibt die bleierne Müdigkeit den ganzen Tag und ich würde mir am liebsten sofort wieder die Decke über den Kopf ziehen. Trotz allem schaffe ich es, pünktlich beim Frauenarzt zu sein, um zu erfahren, dass die Herzfrequenz meines Babys ziemlich hoch ist. Die kalte Angst packt mein Herz. Meine Welt hält die Luft an. Kaum sitze ich im Auto ruft mein Mann an und fragt, wie mein Tag läuft. Statt mich zu freuen, lade ich all meinen Frust bei ihm ab, erzähle von der anderen Mama, die neben mir im Wartezimmer saß und während der Schwangerschaft eine Diät beginnen möchte. Zuhause angekommen sehe ich den Stapel Briefe, der eigentlich an unsere Vormieterin adressiert ist und den ich heute wegbringen sollte, das Buch mit den Tipps zum Elterngeld liegt ungeöffnet auf dem Tisch und in unserer alten Wohnung wartet mein Kleiderschrank darauf, endlich in Kisten gepackt zu werden, … Meine Reaktion ist: Überforderung, Verzweiflung, Wut auf mich selbst, Kraftlosigkeit.
7 Tipps wie du deinen Perfektionismus besiegst
Was ist bloß los mit mir? Warum bin ich den kleinsten Aufgaben im Moment nicht gewachsen und was hindert mich daran, die letzten Monate meiner Schwangerschaft von Herzen zu genießen? Es ist die Perfektionismusfalle. Diese kleine, feine Stimme in meinem Hinterkopf, die alles, was ich tue kommentiert und jede Kleinigkeit, die mir begegnet in eine Aufforderung umwandelt, aktiv zu werden, mein Leben zu optimieren und anderen unter die Arme zu greifen.
Perfekt. Was für ein ermüdendes Wort. Es ist anstrengend, seine eigenen Ziele niemals zu erreichen, sich selbst niemals für gut genug zu halten. Aber woher kommt dieses Streben danach, perfekt zu sein? Was ist der Ursprung und was kann ich tun, um frei von diesem ungesunden Druck zu werden? Wie so oft, weist mich eine meiner größten Schwächen auf etwas hin, für das wir als Menschen ursprünglich geschaffen wurden: Für eine perfekte Welt. Die Bibel sagt:
„Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ (1. Mose 1,31 LU17)
Gott hatte für die ersten Menschen einen Garten vorbereitet, den sie bearbeiten sollten. Diese Arbeit war nichts Anstrengendes und Überforderndes. Im Gegenteil war die von Gott geschenkte Betätigung genau auf das Können der ersten Menschen abgestimmt und sie genossen diese Pflichten. Diese ursprüngliche Perfektion ging durch den Sündenfall verloren und es wurden drei Flüche auf die Menschen gelegt, die uns seitdem verfolgen:
„Und zur Frau sprach er : Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein. Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. “ (1. Mose 3,16-17 LU17)
Wir Menschen haben seit dem Zeitpunkt, als die ersten Menschen Gott nicht genug vertrauten, um sein einziges Gebot einzuhalten, nicht von einer bestimmten Frucht zu essen, Probleme während der Schwangerschaft, sehnen uns nach mehr Tiefe in unseren Partnerschaften und erleben unsere Arbeit nicht länger als befriedigend, sondern als hart, anstrengend und überfordernd. Es gibt nichts und niemand Perfektes mehr auf der Welt wie wir sie kennen. Perfektion ist seit dem Sündenfall Gott vorbehalten, aber wir haben dennoch Sehnsucht danach. Allerdings gibt es eine gute Nachricht: Jesus ist nicht nur für das Leben nach dem Tod gekommen, sondern um unsere Beziehung zum Vater auch in dieser Welt wieder herzustellen. Wenn wir uns unter seine Herrschaft begeben, möchte er uns helfen, unser unperfektes Leben zu meistern.
Wie können wir unser Leben trotz unserer tiefen Sehnsucht nach Perfektionsmus erfüllt leben? Folgende sieben Tipps helfen mir dabei, Schritt für Schritt ein erfülltes und freies Leben zu führen.
1) Meinen Wert erkennen
Das größte Problem an meinem Perfektionsmus ist, dass ich mich über meine Leistung definiere. Wie gut ich als Ehefrau, Mutter, Freundin und Arbeitnehmerin mein Leben meistere, zeigt mir meinen Wert und legt meine Identität fest. Das kann niemals funktionieren. Ich werde niemals gut genug sein, um jede dieser Rollen so aufzufüllen, wie ich mir das erträume. Stattdessen ist es wichtig, mir klar zu machen, dass mein Wert durch meinen Schöpfer bestimmt wird. Er hat mich bewusst so geschaffen, wie ich bin. Er freut sich an mir – trotz und gerade wegen aller Ecken und Kanten, die ich habe. In einem meiner Lieblingspsalmen heißt es:
„Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ (Psalm 139, 14)
Wenn ich es lerne, mich anzunehmen und zu lieben, passiert etwas Erstaunliches: Ich werde frei davon, mich über meine Leistung zu identifizieren.
2) Meine Schwächen annehmen
Mit dem Wissen, dass niemand perfekt ist und ich wertvoll bin, einfach weil Gott mich liebt, kann ich meinen Schwächen mutig ins Gesicht sehen. Genauso wie meine Leistung mich nicht definieren kann, können es meine Schwächen. Aus vielem, was erst einmal wie Versagen aussieht, kann Gott etwas Wunderbares entstehen lassen. Paulus hatte eine Krankheit, die er nicht überwinden konnte und in diese Situation sprach Gott zu ihm:
„Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne.“ (2. Korinther 12,9 LU17)
Wenn ich meine Schwächen erkenne und es lerne, sie anzunehmen, verlieren sie ihre Macht über mich. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr erkenne ich, wie sehr ich Jesus gerade wegen meiner Schwächen in meinem Leben brauche. Wie Paulus darf ich Jesus diese schwierigen Bereiche meines Lebens abgeben und ihm vertrauen, dass er sie heilt, umformt und sich durch sie verherrlicht.
3) Verantwortung abgeben
Als Perfektionist tendiere ich dazu, mir viel mehr aufzuladen, als ich eigentlich müsste. Niemand erwartet von mir, dass ich gleichzeitig die Wäsche der ganzen Familie durchwasche, das Haus putze, alle kaputten Geräte repariere, vierzig Stunden pro Woche in meinem Beruf arbeite, schwanger bin und eine lebendige Kleingruppe in meiner Gemeinde leite. Das ist utopisch. Und genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass ich Gott frage, in welchen Bereichen meine Verantwortung liegt, welche Aufgaben er für mich persönlich vorbereitet hat. Er hat selbst versprochen:
„Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“ (Epheser 2,10 LU17)
Wie für die ersten Menschen hat Gott auch für mich bestimmte „Werke“ vorbereitet und die darf ich fröhlich erfüllen. Wenn ich mir bewusst bin, dass ich nicht alles selbst machen muss, dass auch mal Dinge liegen bleiben dürfen und dass ich mir Hilfe suchen kann, werde ich innerlich bereit, meine Aufgaben anzupacken.
4) Prioritäten festlegen
Anstatt sofort alle meine Lebensbereiche auf ein Mal zu verändern und von einem Tag auf den anderen, ein besserer Mensch zu werden, ist es wichtig, dass ich Prioritäten setze. Womit beginne ich? Was ist gerade am Wichtigsten? Welche Dinge können noch warten? Sogar Jesus hat in seinem Leben immer wieder darauf hingewiesen, dass bestimmte Ereignisse noch nicht an der Zeit waren:
„Da spricht Jesus zu ihnen: Meine Zeit ist noch nicht da, (…)“ (Johannes 7,6a LU17)
5) Realistische Ziele setzen
Neben dem Auswählen von Prioritäten ist es gut, sich realistische Ziele zu setzen. Ich kann nicht an einem Tag Fenster putzen, die Kammer entrümpeln, die gesamte Wohnung saugen und mich mit Freunden treffen. Als Perfektionist hilft es mir, mir kleine, erreichbare Ziele zu setzen und andere Aufgaben bewusst aufzuschieben. Die kleinen Erfolgserlebnisse helfen mir, motiviert zu bleiben und nicht vor Beginn der Arbeit bereits aufzugeben. Trotz allem wird es immer wieder dazu kommen, dass ich nicht alle meine Pläne umsetzen kann und darf mein Versagen in Gottes Hand legen, denn …
„Der Mensch denkt über vieles nach und macht seine Pläne, das letzte Wort aber hat Gott“ (Sprüche 16,1 Hfa)
6) Nach Exzellenz streben
Auch wenn ich mein Bestes gebe, werde ich Perfektion niemals erreichen, aber ich kann nach Exzellenz streben. Exzellenz bedeutet, dass ich mit dem was ich an Zeit, Kraft und Ressourcen zur Verfügung habe, mein Bestmögliches gebe. Wenn ich nur drei Wochen Zeit habe, um eine Hausarbeit zu schreiben, wird das Ergebnis nicht so umfangreich sein wie wenn ich zwei Monate an der gleichen Arbeit schreibe. Das Wissen darum hilft mir, mit Unzulänglichkeiten besser umzugehen. Ich darf mein Bestes geben und den Rest in Gottes Hände legen, ihm meine Sorgen anvertrauen, denn er hat versprochen:
„Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. (Matthäus 6,34 LU17)
7) Erfolge feiern
Als Perfektionist neige ich dazu, mir niemals Ruhe zu gönnen, immer weiter zu arbeiten und mich selbst permanent mit meinen Fehlern zu konfrontieren. Stattdessen muss ich meine Gedanken auf das Gute richten, auf meine Erfolge, auf das, was mir gut gelungen ist. Ein Leben ohne Entspannung, Ruhe und Freizeit ist kein Leben. Einen faulen Nachmittag zu genießen, einfach mal Nichts tun und meine Einschränkungen, wie gerade meine Schwangerschaft, fröhlich anzunehmen und zu leben, ist sogar biblisch:
„Genieße das Leben mit der Frau, die du lieb hast, solange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat; denn das ist dein Teil am Leben und bei deiner Mühe, mit der du dich mühst unter der Sonne.“ (Prediger 9,9 LU17)
Kennt ihr die Perfektionismusfalle auch? Wie geht ihr mit euren hohen Ansprüchen um? Habt ihr noch mehr Tipps und Ideen?