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Jahreszeiten-Freundschaften

Vor mir sitzt eine enge Freundin. Wir unterhalten uns über Wichtiges und Unwichtiges. Dann fällt ein Satz, der den Verlauf meines gesamten Tages ändert: „Ich habe eine gemeinsame Freundin getroffen. Sie hat im Moment viel zu tun und erwähnt, dass sie es nicht schlimm findet, dass ihr im Moment wenig Kontakt miteinander habt. Ihr wäret in komplett anderen Lebensphasen.“ Mir treten die Tränen in die Augen und ich muss schlucken. Habe ich mich in dieser Freundschaft getäuscht? Hätte ich erkennen müssen, dass wir uns „auseinander“ gelebt haben? Eigentlich haben wir immer in verschiedenen Welten gelebt. Heute studiert meine Freundin, lebt ihr Leben frei und ungebunden, probiert sich aus. Ich bin seit über eineinhalb Jahren verheiratet, habe mein Studium letztes Jahr abgeschlossen und bin ins Arbeitsleben gestartet. Als ich am Wickeltisch meiner Tochter stehe, denke ich daran, dass sie mein Leben in eine weitere neue Jahreszeit befördert hat. Ja, ich bin wirklich in eine andere Lebensphase eingetreten. Meine Freundin und ich teilen im Moment nichts anderes als unseren Glauben und gemeinsame Erlebnisse. In vielem erinnert sie mich an die junge Frau, die ich noch vor wenigen Jahren war. Und ich muss mir eingestehen: Ihre scheinbare Gleichgültigkeit verletzt mich und ich fühle mich zurückgewiesen. Und meine Gedanken wandern zu den verschiedenen Beziehungen, die ich in meinem Leben führe. Dabei entdecke ich: Meine Freunde befinden sich in den verschiedensten Jahreszeiten des Lebens und gerade diese Unterschiedlichkeit bereichert mein Leben. Es ist so viel bunter und farbenfroher durch jede einzelne Person in meinem Leben. Hier sind einige der Punkte, die ich an meinen Jahreszeiten übergreifenden Freundschaften sehr schätze.

Sich wirklich kennen

Ich habe eine Freundin, die ich bereits kenne seit ich in Windeln durch die Welt gekrabbelt bin. Es gibt Zeiten, in denen wir viel Kontakt haben. Es gibt Zeiten, in denen wir uns nur ein Mal im Jahr sehen. Aber eines weiß ich: Sie ist mir wichtig und ich bin ihr wichtig. Obwohl wir in zwei vollkommen verschiedenen Stadtteilen leben, zwei vollkommen verschiedene Berufe ergriffen haben und an vollkommen verschiedenen Punkten im Leben stehen, sieht sie mich als Person. Sie ist diejenige, die auch in schweren Zeiten an meiner Seite stand – auch in Augenblicken, in denen ich nicht liebenswert war. Auf sie kann ich mich verlassen, weil ich weiß: Unsere Freundschaft beruht nicht darauf, dass wir uns oft sehen, sondern auf unserer gemeinsamen Vergangenheit und dem Wissen, wer der andere hinter der Fassade ist.

Lebensweisheit geschenkt bekommen

Einige meiner Freundinnen sind ein ganzes Stück älter als ich. Sie haben lange Zeit im Ausland gelebt, haben schwere Zeiten durchgestanden oder gerade ihre Kinder aus dem Haus gehen lassen. Jede dieser Frauen, ist mir in unterschiedlichen Bereichen ein Vorbild geworden. Ihre Lebenserfahrung hilft mir, in meinem eigenen Leben weise Entscheidungen zu treffen.

Lebensweisheit weitergeben

Einige meiner Freundinnen sind ein Stück jünger als ich oder stehen vor einem Schritt, den ich bereits vor ihnen gegangen bin. So wie meine älteren und erfahrenen Freundinnen mir ein Stück Weisheit und Erfahrung mitgeben können, kann ich ihnen etwas aus meinem Leben mitgeben.

Flexibel bleiben

Je unterschiedlicher meine Freunde sind, desto verschiedener sind auch die Themen und Aktivitäten, mit denen wir uns gemeinsam auseinandersetzen. Mit einer Freundin kann ich am besten über Kindererziehung diskutieren, mit einer anderen Freundin bete ich intensiv, der nächsten darf ich meine Schuld bekennen, eine andere zeigt mir regelmäßig ihre Lieblingscafés und mit einer Freundin liebe ich es, zu tanzen und das Leben zu feiern. Alles das macht das Leben farbenfroh und wertvoll.

Warum ich es aber am meisten liebe, Freundschaften mit Frauen unterschiedlichen Alters, an verschiedenen Punkten des  Lebens und aus vielfältigen Hintergründen zu pflegen? Jede meiner Freundinnen habe ich an einem bestimmten Punkt in meinem Leben an einem bestimmten Ort kennengelernt. Irgendetwas Gemeinsames verband uns und wir begannen, uns zu treffen, zu telefonieren und zu schreiben. Unsere Bekanntschaft wurde erst durch die Zeit zur Freundschaft. Man sah sich weniger und blieb in Kontakt. Man lernte die andere tiefer kennen, auch Ecken und Kanten. Man wurde einander wichtig. Das Gemeinsame war nur noch der Ausgangspunkt für neue Begegnungen und Abenteuer. In einer solchen Freundschaft ist es egal, ob man Single oder Verheiratet, ob man Schüler oder Lehrer, ob man alt oder jung ist. Man kennt sich, trägt einander im Herzen und investiert in die Freundschaft. Das bedeutet Arbeit, aber es bedeutet auch, dass man Menschen hat, auf die man sich bedingungslos verlassen kann, bei denen man authentisch sein darf und die schonungslos ehrlich sind, weil man ihnen als Person zu viel bedeutet, als dass sie einen den falschen Weg gehen lassen. Für solche Freundschaften möchte ich mich einsetzen. Vielleicht sind es wenige, vielleicht werden manche mich auf dem Weg verletzen, aber die echten Freundschaften sind das Risiko wert.

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