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Mutter(un)glück ?!

Mutter(un)glück ?!

Endlich höre ich ihn – den ersten zarten Laut meiner kleinen Tochter! Ich habe so lange auf dieses kleine Wesen gewartet, habe gebangt, gehofft, … Und nun ist der Augenblick da. Unser Wunschkind hat die Weltbühne betreten. Mir kommen die Tränen und die Hebamme mit unserer Tochter um die Ecke. Sie legt sie mir in die Arme. Eine Rolle von Überforderung überrollt mich: Sie ist so klein. Ich liege noch im OP und bin von den Beinen abwärts bewegungsunfähig. Die Ärzte nähen meine Bauchwunde und mir wird gerade von einem der Medikamente übel. Eine Welle von Panik überrollt mich. Meine ersten Augenblicke als Mutter hatte ich mir anders vorgestellt. Die nächsten Tage knüpfen nahtlos an den Geburtstag an: Durch die starken Schmerzmittel schlafe ich mitten in Gesprächen ein, kann nicht aufstehen und mein Kind selber wickeln und bin mit der Situation überfordert. Wie kann das sein?

Als wir zu dritt nach Hause kommen bin ich mitten in den Heultagen. Ich habe fünf Tage voller Angst, Schmerzmittel und Sorgen überstanden. Mir ist als hätte ich das Leben neu geschenkt bekommen und ich bin unglaublich dankbar, das alles überlebt zu haben. Aber ich bin auch traurig. Ich trauere um die Zeit, die nun vorbei gegangen ist. Nie wieder werden mein Mann und ich so unbeschwerte und sorgenfreie Zeit zu zweit erleben. Meine morgendlichen ausgiebigen Stunden mit Jesus sind zu einem abrupten Ende gekommen und mein Körper ist ausgelaugt. Am liebsten würde ich diesen Albtraum in Ruhe verarbeiten, ausgiebig trauern und mich danach laaaange aufs Uhr legen, um mich gesund zu schlafen. Aber das wird nicht gehen. Angst steigt in mir auf, die ganze Hormonumstellung fühlt sich an wie ein Sturm. Was ist, wenn ich mit der Situation nicht klar komme? Wenn sich meine Gefühle niemals beruhigen? Was, wenn ich wütend auf meine Tochter werde? Hoffentlich behalte ich die Kontrolle. Hoffentlich rutsche ich nicht in eine Depression. Müsste ich nicht auf Wolken schweben? Mit einem Dauergrinsen durch die Welt laufen? Warum fühlt es sich so falsch an, wenn die Leute mir gratulieren und ich einfach nur denke: „Ich habe gerade mein ganzes altes Leben verloren. Trauert doch mit mir!“ So hatte ich mir meine erste Zeit als Mama nicht vorgestellt.

Niemand hatte mich davor gewarnt, wie sehr ein Neugeborenes das Leben auf den Kopf stellt. Niemand hatte mir glaubhaft geschildert, wie sich eine Hormonumstellung anfühlt. Oder ich hatte nicht hören wollen. Hatte die Einwände nicht ernst genommen – immerhin ist meine Tochter mein Wunschkind.

So hart die ersten Tage auch waren, so sehr liebe ich das Mamasein inzwischen. Jeder Tag ist anders. Routine gibt es nur noch in Ansätzen. Aber dafür darf ich jeden Tag das Lächeln meiner Kleinen sehen, ihren Geruch tief einsaugen und mich im Bett an sie kuscheln. Was ist passiert, dass ich diese schweren Tage durchstehen konnte? Einige Dinge haben mir sehr geholfen.

Jesus und sein Wort

In den Monaten vor der Geburt hatte ich das Vorrecht viel Zeit alleine zu verbringen. Diese Zeit habe ich in meine Beziehung zu Jesus investiert. Mir wurde klar, dass es mir leicht fällt, Jesus in guten Zeiten zu folgen. Wenn es hart auf hart kommt, war es für mich aber sehr schwer, mich wirklich auf ihn zu verlassen. Ich traf die Entscheidung, mich an ihm festzuhalten und meine Beziehung mit Jesus in Ordnung zu halten. Die Bibelverse, die ich vor der Geburt gelernt hatte, trugen mich durch die Zeit. Ich war es gewohnt mit allem zu Jesus zu kommen. Es war für mich sehr wertvoll in den schwersten Augenblicken vor Jesus zu weinen und ihn um Hilfe anzuflehen – manchmal auch sehr lautstark und verzweifelt. Ich wusste mich in jedem Augenblick getragen – trotz kurzer Gebete.

Geistliche Familie

Immer wieder hatten Familie und Geschwister aus der Gemeinde in der Zeit vor der Schwangerschaft und während der Geburt für mich gebetet. An diesen Gebeten hielt ich mich fest. Eine kleine Gruppe wusste von meinen Kämpfen und Ängsten und betete nach der Geburt weiter. Jedes Gebet trug mich in meinen dunkelsten Stunden.

Ehrlichkeit und Unterstützung

Mein Mann und meine Eltern waren in den ersten Tagen nach der Geburt ständig um mich herum. Sie hielten mich, wenn ich weinte, ermutigten mich, ermahnten mich auch mal streng und halfen mir praktisch. Ich wusste, dass ich im schlimmsten Fall mit ihnen gemeinsam eine Lösung für jede Überforderung finden konnte. Es half mir, meine Gefühle und Gedanken ehrlich auszusprechen – auch wenn sie noch so albern klangen.

Loslassen und Annehmen

Schon nach kurzer Zeit wurde mir klar, dass ich mein altes Leben loslassen und die neue Lebensphase aktiv annehmen musste. Ich traf bewusst die Entscheidung, das Beste aus der Situation zu machen und darauf zu vertrauen, dass dieser neue Lebensabschnitt von Gott gewollt und bewusst ausgesucht war. Das war nicht immer leicht, aber es half mir, nach vorne zu sehen.

Kleine Fortschritte bemerken

Fast jeden Tag konnte ich einen kleinen Schritt in Richtung Normalität zurückgehen. Das tat mir sehr gut. Auch die kleinsten Schritte versuchte ich zu sehen und zu erkennen, dass ein kleiner Schritt auch ein wichtiger Meilenstein in die Normalität ist.

Alles hat seine Zeit

Es muss nicht alles sofort wieder in Ordnung sein. Meine Wohnung darf nach Baby aussehen und ich darf eine Weile „durch den Wind sein“. Das zu erkennen half mir, mich auf das Wichtige zu konzentrieren, Prioritäten zu setzen zu erkennen, dass auch die Hormonumstellung nur eine kurze Phase im Leben sein würde. Ich erkannte, dass alles wieder normal werden würde.

Liebe spüren

Liebe ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung. Am Anfang war ich so erschöpft, dass ich nicht in jedem Augenblick Liebe spüren konnte, aber ich tat viele kleine Liebestaten. Wenn ich nachts aufstand, obwohl ich müde war, wenn ich trotz Schmerzen stillte oder einfach leise die Hand meiner Tochter hielt, zeigte ich meine Liebe. Als ich verstanden hatte, dass das genau richtig so ist und dass das Liebesgefühl nicht den Grad meiner Liebe zeigt, war ich erleichtert.

Kinder sind ein Geschenk Gottes

Wenn Gott in seinem Wort eine solche Aussage macht, wollte ich ihr auch vertrauen. Das war manches Mal sehr schwer, aber Schritt für Schritt konnte ich annehmen, dass Gott mir eine neue Berufung in mein Leben gelegt hatte und dass seine Wege anders sind als meine Wege. Durch meine kleine Tochter macht Gott mir so viele Geschenke und er fordert mich heraus näher zu ihm zu wachsen.

Es hat einige Wochen gedauert, bis mein Leben wieder normal und alltäglich wurde. Ich kann immer noch nicht wieder zu jeder Veranstaltung gehen (und werde es auch die nächsten Jahre nicht können) und habe wenig Zeit für mich und meinen Mann, aber ich darf dafür die Zeiten alleine und mit meinem Mann bewusster gestalten und schätzen lernen. Zusätzlich darf ich erleben, wie meine Tochter und ich zusammenwachsen. Wir sind inzwischen so etwas wie „Partner in Crime“. Wir haben einen gemeinsamen Tagesrhythmus, der jeden Tag variiert und dennoch gleich bleibt, Ich bin die erste, die sie trösten und ihre Fortschritte sehen darf und ich habe das Vorrecht, ihr vorzuleben, was es bedeutet, Jesus zu lieben. Heute habe ich mich dabei ertappt, dass ich mit ihr rede, obwohl sie gar nicht da war. Das war ein komisches Gefühl und zeigte mir, dass ich nun endlich richtig Mama bin. Mit übersprudelnden Liebesgefühlen, Sorgen, Freuden und Vermissen.

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