Alltag Leben als Frau zur Ehre Gottes Rückblick

Tolerant oder vielleicht doch nicht?

Ich bin anders. Zumindest anders als der Durchschnitt. Meine Meinung ist oft anders. Zumindest als die Durchschnittsmeinung. Warum bin ich anders? Ich denke, wenn man in dieser verrückten Zeit als Hochsensible in einer Familie aufwächst, in der tatsächlich nach den Werten der Bibel gelebt wird, wenn man sich mit vielen unterschiedlichen und gegensätzlichen Meinungen im Freundeskreis und der Politik auseinandersetzen muss, ist es kein Wunder, wenn man sich anders fühlt und anders denkt als der Durchschnitt. Was für ein Segen, dass ich heute in unserer toleranten Gesellschaft leben darf! Oder doch nicht?

toleranz

Was bedeutet eigentlich das Wort „Toleranz“? Der Duden beschreibt „Toleranz“ als „Duldsamkeit“ oder „zulässige Differenz zwischen der angestrebten Norm und den tatsächlichen Größen“. Die Werte Enzyklopädie geht noch einen Schritt weiter und definiert Toleranz als „das „so sein lassen“ der Sichtweisen, Überzeugungen, Handlungen und Sitten von Anderen“. So weit die Theorie. Was bedeutet es, im Alltag tolerant zu leben? Was bedeutet Toleranz bzw. Akzeptanz für das Zusammenleben mit anderen Menschen und ihren (gegensätzlichen) Meinungen?

Eine Meinung ist zuallererst eine neutrale Aussage

Meine persönliche Meinung zeigt sich an vielen verschiedenen Aussagen, die ich im Laufe eines Tages mache. Die Aussage „Meine Lieblingsfarbe ist grün“ ist genauso neutral wie die Aussage „Grundsätzlich bin ich gegen Abtreibung“. Keine der beiden Aussagen wertet einen anderen Menschen ab oder verurteilt ihn. Sie zeigt einfach nur, dass ich mir Gedanken über ein Thema gemacht und einen eigenen Standpunkt entwickelt habe.

Meinungen anderer tolerieren

Wenn ich einen Menschen treffe, der eine andere Lieblingsfarbe als ich besitzt, führt das in den wenigsten Fällen zu Streit oder Meinungsverschiedenheiten. Es ist kein Problem, jemanden stehen zu lassen und zu dulden, solange es mich nicht persönlich betrifft. Schwierig wird es, wenn ich einen Menschen treffe, der eine andere Meinung zu einem ethischen oder politischen Thema vertritt als ich. Das Problem ist, dass in unserer Gesellschaft ein ethisches oder politisches Thema meist nicht als neutrale Meinung, sondern als Wertung gesehen wird. Wenn ich die Meinung äußere „Ich bin grundsätzlich gegen Abtreibung“, begegnen mir die meisten Menschen nicht mehr mit Duldsamkeit, oder Respekt. Mir ist in solchen Situationen bereits offener Hass und deutliche Ablehnung entgegengeschlagen. Ist es die Angst vor der fremden Meinung? Ist es die Sorge, man könnte im Unrecht sein? Ist es die Unterstellung, ich wäre eine Fanatikerin? Mit Toleranz hat das leider nichts mehr zu tun. Tolerant wäre es, diese Meinung stehen zu lassen, indem man seine eigene Meinung liebevoll dagegensetzt und die Aussage macht „Ich denke, du hast in diesem Punkt nicht Recht“. Das tut niemandem weh und es führt dazu, dass man einander trotz gegensätzlichem Denken weiterhin gern haben kann.

Miteinander diskutieren

Es ist wichtig, wenn ich einen Menschen gut kenne, den Austausch mit ihm zu suchen. Es fällt sonst leicht, den anderen zu verurteilen und abzuwerten – gerade, wenn es um Meinungsverschiedenheiten in einem für mich wichtigen Punkt gehen. Die Aussage „Ich denke, du hast in diesem Punkt nicht Recht“ ist ein guter Ausgangspunkt für eine respektvolle Diskussion. Sie zeigt, dass ich tolerant, d.h. aufgeschlossen gegenüber der anderen Person bin und es mich interessiert, warum sie diese Meinung entwickelt hat. Im Beispiel „Ich bin grundsätzlich gegen Abtreibung“ hätte ich die Möglichkeit, genau zu erklären, dass ich der Meinung bin, dass ein Leben in dem Augenblick beginnt, in dem Ei und Samenzelle miteinander verschmelzen und dass ich denke, dass ich nicht die Macht habe zu entscheiden, welches Leben lebenswert und welches nicht lebenswert ist. Mein Gesprächspartner würde mir wahrscheinlich antworten, dass es wichtig ist, selbst bestimmen zu dürfen, was mit meinem Körper wann passiert und dass es wichtige medizinische und psychische Gründe für eine Abtreibung geben kann. Diese Argumente kann ich gut nachvollziehen und es wird mir durch das Gespräch die Möglichkeit gegeben, das auch auszudrücken und gleichzeitig zu betonen, dass ich zahlreiche Geschichten von anderen Frauen kenne, die ein Kind abgetrieben haben und dass ich keine von ihnen als Mensch abwerte oder verurteile. Manche dieser Frauen sind in anderen Bereichen für mich großartige Vorbilder und Freundinnen, aber ich hätte an ihrer Stelle anders gehandelt. An der Reaktion auf diese Sätze zeigt sich, ob mein Gegenüber mich respektieren, tolerieren und akzeptieren kann und ich ihn. Wenn man sich dennoch stehen lassen kann, weiterhin guten Kontakt pflegen und respektvoll über den anderen redet, ist meiner Meinung nach Akzeptanz gelungen.

Toleranz ist nicht Gleichgültigkeit

Toleranz wird oft mit Gleichgültigkeit verwechselt. Ich lasse den anderen mit meiner Meinung in Ruhe und er lässt mich in Ruhe. Es gibt aber Augenblicke, in denen mir ein Mensch so wichtig ist, dass ich meine Meinung mit ihm teilen muss. Würde eine Freundin von mir mir erzählen, dass sie schwanger ist und sich mit den Gedanken trägt ihr Kind abzutreiben, würde ich das Gespräch mit ihr suchen. Liebe bedeutet für mich in diesem Augenblick zweierlei: Erstens möchte ich ihr zuhören und verstehen, was sie zu diesem Schritt antreibt und zweitens ist sie mir so wichtig, dass ich mir wünsche, dass sie sowohl über die negativen als auch die positiven Seiten der Abtreibung nachdenkt. Es wäre Gleichgültigkeit, wenn ich ihr nicht erzählen würde, dass eine Abtreibung viele Frauen in eine tiefe Depression stürzt und dass es für spätere Schwangerschaften Probleme mit sich bringen kann, ein Baby entfernen zu lassen. Für mich kann es wichtig sein, zu verstehen, dass sie sich Sorgen macht, weil das Kind z.B. eine schlechte Diagnose gestellt bekommen hat und sie nicht weiß, wie sie damit umgehen soll oder dass sie sich nicht vorstellen kann, ihr Kind mit ihrem momentanen Partner aufzuziehen. Toleranz bedeutet in diesem Fall, ihre Entscheidung zu akzeptieren – egal, wie sie sich entscheidet und mit ihr gemeinsam die Konsequenzen dieser Entscheidung zu tragen. Meine Zuneigung und Freundschaft zu dieser Freundin würde sich durch eine Abtreibung nicht verändern.

Grenzen der Toleranz

Die Toleranz stößt an eine Grenze, wenn andere Menschen körperlich oder seelisch verletzt werden. Das Äußern und Einstehen für eine Meinung verletzt niemanden. Kritisch wird es an dem Punkt, an dem ein Mensch nicht mehr frei entscheiden kann, seine Meinung zu äußern. Dafür gibt es viele verschiedene Beispiele. Als viele Menschen unter Zwang zum Christentum oder einer anderen Religion konvertieren mussten oder als Homosexuelle und Juden im dritten Reich verfolgt wurden. Auch heute noch gibt es zu diesen Themen sehr verschiedene Meinungen. Es ist meiner Meinung nach z.B. auch beim Thema Homosexualität erst einmal nicht intolerant für sich selbst festzulegen „Ich denke, dass Homosexualität eine Sünde ist“, aber es ist intolerant, einen Menschen aufgrund dessen abzulehnen, ihn für weniger wert zu erachten, ihn zu beschimpfen oder gar körperlich zu attackieren.

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