Dekonstruktion und Rekonstruktion meines Glaubens
Wütend schleudere ich Jesus in meiner Gebetszeit meine Worte entgegen: „Wenn du wirklich so über mich als Frau denkst, dann möchte ich nichts mehr mit dir zu tun haben.“ Einige Tage später starre ich fassungslos auf das Blatt Papier vor mir. Schwarz auf weiß lese ich, dass sich mein Fokus fast unbewusst von meinem geliebten Herrn auf mich selbst verschoben hat. Wieder einige Tage später sitzen wir bei Freunden im Garten und mir schießt der Gedanke durch den Kopf: „Sie dürfen niemals erfahren, dass ich meine Kinder bindungsorientiert erziehe“.
Altes neues Glaubensleben
Anstelle von Freiheit und Freude hat sich die eiskalte Hand der Angst und Verurteilung um mein Herz gelegt. Meine Lieder sind verstummt. Die Anklage ist meine ständige Begleiterin geworden. Leichtigkeit und Fröhlichkeit sind Schwere und Furcht gewichen. Jesus ist nicht mehr da.
Altes neues Glaubenshaus
Dekonstruktion
Ich wollte nie nur gut genug sein, ich wollte immer besser als alle anderen sein. Mir die Liebe und Anerkennung der anderen verdienen und selber die Kontrolle behalten. Genau dieses Leistungsdenken ist es, dass mich in den letzten Jahren zu Fall gebracht hat. Und wieder merke ich: Ich schaffe es einfach nicht, mich in das fromme Bild zu verbiegen, in das ich so gerne passen würde.
Genau an diesem Punkt war ich schon mal in meinem Leben: Vor ziemlich genau acht Jahren hatte ich mein Leben gründlich an die Wand gefahren und war davon überzeugt, meine Chance auf eine eigene, glückliche Familie endgültig verspielt zu haben. In dieser Situation durfte ich Jesus erleben. Er beschenkte mich so überreich mit meinem wunderbaren Ehemann. Dadurch durfte ich erkennen, was Gnade eigentlich bedeutet. Ich verliebte mich nicht nur in meinen Mann, sondern auch in diesen Jesus, der mich so sehr liebte.
In den folgenden Jahren zog Jesus mich immer immer näher an sein Herz. Er führte mich auf unglaubliche Art und Weise. Ich durfte die Bibel durch First5 immer besser kennenlernen und begann ein eigenes Gebetsleben zu führen. Jesus begann, mit mir zu sprechen. Sei es durch sein Wort, durch prophetische Eindrücke oder Bilder, die er mir schenkte. Auf übernatürliche Art und Weise führte er Menschen in mein Leben, die mich im Glauben herausforderten und anspornten.
Umorientierung
Ich wollte mehr von Jesus und sehnte mich nach klarer Lehre und Heiligkeit im Leben meiner Gemeinde. Wir machten uns als Familie auf den Weg in eine neue geistliche Heimat. Und wir fanden genau das, was wir uns so sehr wünschten: Andere Familien, die ihre Kinder nicht in die Kita schickten, Predigtreihen über ganze biblische Bücher und Pastoren, die die Gemeinde auch in der Lehre leiten.
Hier am Ziel meiner Träume verlor ich meine Beziehung zu Jesus. Ich begann, die Bücher zu lesen, von denen ich mir sicher war, dass die Gemeinde sie gutheißen würde, hörte lange Predigten von Pastoren ähnlicher Gemeinden und ließ diesen Blog einschlafen. Auch mein Frauenbild und unsere Erziehung gehörten zu den Themen, die ich umdenken wollte, genauer gesagt musste, um mich anzupassen. Und genau da begegnete mir Jesus.
Altes neues Glaubenshaus
Rekonstruktion
Während ich das Buch „Die tugendhafte Ehefrau“ von Martha Peace nicht ein Mal, auch nicht zwei Mal sondern fast drei Mal durchlas und mich wie die größte Versagerin fühlte, begann Jesus zu meinem Herzen zu sprechen. „Esther, es geht nicht darum, dass du alles richtig machst und das Falsche vermeidest. Es geht um dein Herz. Es geht um die Liebe.“ Wie ein geschlagenes kleines Kind, hob ich meinen Blick zu dieser mir so bekannten Stimme. Misstrauisch und ungläubig blinzelte ich in das helle Licht der Freiheit, das mich nach den Monaten in der Dunkelheit blendete. Mein Herz begann wieder zu atmen. Erst vorsichtig und dann mit wilder Freude.
Ich studierte die Liebe Gottes, las Bücher wie „Skandalöse Liebe“ (Bernadette Lang) und „Von dem Versuch, mich selbst zu zähmen und dem Versuch, es sein zu lassen“ (Christine Poppe) und tauchte neu in die Bindungsorientierung ein, indem ich den Podcast von „inBindung“ suchtete. Immer wieder rief Jesus mich aufs Wasser, in die komplette Abhängigkeit von ihm. Er forderte mich auf, Menschenfurcht loszulassen. Er schaffte es sogar, mir prophetische Einblicke mitzuteilen, obwohl es das in meiner neuen Umgebung nicht gab.
In den letzten Monaten durfte ich verstehen: Niemand kann Unterordnung oder Gehorsam erzwingen oder einfordern. Das ist immer Unterwerfung. Auch Jesus bricht meinen Willen nicht. Im Gegenteil: Er wirbt um mich und lädt mich zum Gehorsam ein. Er sorgt für mich und zeigt mir dadurch: Du kannst mir folgen. Du darfst mir vertrauen.
Back home
Auch wenn es mir nicht leicht fällt, durch diese Worte mein „frommes“ Image endgültig zu zerstören, sind sie die Wahrheit: Ich bin Esther, die geliebte Tochter des Schöpfers dieser wunderschönen und gleichzeitig todkranken Welt. Jesus hat mich aus dem tiefsten Schmutz und der engsten Gesetzlichkeit herausgeholt und gerettet. Er verbindet meine Wunden und spricht zu mir: Durch sein Wort, durch die Natur, durch andere Menschen. Er begegnet mir durch prophetische Worte und Bilder, in Geschichten und Liedern. Durch seinen Heiligen Geist lebt er in mir. Bei ihm muss ich nichts leisten, keine fromme Sprache beherrschen oder einem bestimmten Bild entsprechen. Auf meine Schuld reagiert er mit Liebe und Barmherzigkeit. Er liebt mich und deshalb kann ich von mir wegschauen und andere Menschen lieben.